Herr Grothus, Sie arbeiten seit 1995 als selbstständiger Fotograf mit dem Hauptaugenmerk auf Innenarchitektur. Wie kam es zu diesem Schwerpunkt?
Nach einer klassischen Fotografenausbildung habe ich an der Fachhochschule Dortmund Fotodesign studiert. Mitte der 1980er-Jahre gab es dort die Schwerpunkte Journalismus und künstlerische Fotografie. Prof. Dr. Dieter Leistner hat damals Architekturfotografie gelehrt und das hat mich besonders interessiert, so dass ich im Hauptstudium diesen Schwerpunkt gewählt habe. Über eine damalige Assistenz in einem Interieur- und Möbelstudio bin ich dann allerdings 1990 zur Fotografie von Innenarchitektur gewechselt. Das Niveau war dort so hoch, dass ich von Anfang an Premiumdesign fotografiert habe. Damals war es üblich, dass Planende aus der Innenarchitektur gemeinsam mit dem Fotografen oder der Fotografin den Aufbau der Räume geplant und umgesetzt haben. 1995 bin ich dann in die Selbstständigkeit gestartet. Seitdem ist die Innenarchitektur meine Leidenschaft und der Schwerpunkt meiner fotografischen Tätigkeit. Ab und zu fotografiere ich aber auch noch Hochbauprojekte.
Wer gehört heute zu Ihren Kunden?
Ich arbeite für verschiedene Innenarchitekturbüros, für die ich Projekte in ganz unterschiedlichen Bereichen fotografiere. Außerdem bearbeite ich Aufträge für Lichtplaner und Küchenhersteller. Dabei zählen sowohl etablierte Büros als auch Newcomer zu meinen Kunden.
Wie lange arbeiten Sie jetzt mit Susanne Brandherm und Sabine Krumrey zusammen und was schätzen Sie besonders an dieser Zusammenarbeit?
Seit 2005 bin ich für die beiden tätig, als wir uns auf einer Messe kennengelernt haben. An der Zusammenarbeit schätze ich das gegenseitige Vertrauen. Wenn ich fotografiere, dann gibt es keine Vorgaben. Wir sprechen kurz über das Projekt, aber letztlich bilde ich die Räume so ab, wie ich sie empfinde. Die Motive wähle ich dann selbst aus und mache eine Bildauswahl, die selten ergänzt wird. Ein Schwerpunkt liegt dabei auch auf Materialdetails. Von Susanne und Sabine wird viel Wert darauf gelegt, dass die räumliche Atmosphäre transportiert wird.
Wie gelingt das beim Fotografieren?
Falls nötig werden die Interieurs vor dem Fotografieren noch ausgestattet. Es macht einen großen Spaß, diese eingerichteten Räume dann fotografisch in Szene zu setzen. Wichtig finden wir auch, dass die Fotos teilweise mit Menschen „belebt“ werden, um einerseits die Proportionen und andererseits die räumliche Funktion darzustellen. Gerade in Zeiten der Bildwelten auf Social Media halte ich es für wichtig, dass auf den Fotos nicht nur leere Räume zu sehen sind, sondern auch die Art und Weise wie diese genutzt werden. Ich arbeite auch nicht mit Kunstlicht, da die Lichtatmosphäre vor Ort ein maßgeblicher Teil der Innenarchitektur ist.
Gibt es eine weibliche Handschrift oder einen anderen Umgang in der Zusammenarbeit bei Büros, die von Innenarchitektinnen geführt werden?
Ich denke schon. Die Innenarchitektur hat vielleicht insgesamt noch etwas sehr feminines. Das kommt mir entgegen. Grundsätzlich ist es aber so, dass ich gut mit allen Menschen zurechtkomme, wenn eine gegenseitige Sympathie besteht.
Für die meisten Leser von Magazinen oder Blogs existiert die Innenarchitektur ja nur in der Fotografie, da sich die Wenigsten selbst ein Bild vor Ort machen. Sie haben damit einen Einfluss auf die Wirkung dieser Projekte. Wie beurteilen Sie Ihren Anteil an deren Rezeption?
Wenn man Fachzeitschriften bei einem tollen Projekt mit schlechten Fotos ankommt, wird es in der Regel nicht veröffentlicht. Das Fotografieren ist daher auch mit einer gewissen Verantwortung verbunden. Vor Ort muss ich das Interior-Konzept verstehen und in entsprechende Fotos übersetzen. Es geht mir nicht darum, mich mit tollen Fotos selbst in ein gutes Licht zu rücken, sondern den Entwurf verständlich zu machen.
Es geht Ihnen also eher um eine 1:1-Abbildung von Wirklichkeit und weniger um eine Optimierung von Realität?
Es kommt bei mir selten vor, dass Abbildungen spektakulärer sind, als die Innenarchitektur selbst. Ich mag keine fotografischen Interpretationen von Räumen, die Betrachter oder Betrachterinnen vor Ort nicht wahrnehmen können. Die Überhöhung von Innenarchitektur mit extremen Weitwinkelaufnahmen oder ähnlichem entspricht daher nicht meiner Arbeitsweise. Ich lasse Räume auf mich wirken und halte meine Kamera meistens bewusst auf Augenhöhe. Es gibt auch Ausnahmen, wenn zum Beispiel eine Galerie den Blick von oben nach unten ermöglicht. Es geht mir aber vor allem darum, mit der Wahl des Kamerastandpunkts Ruhe in die Bilder zu bringen.
Hat sich Ihr fotografischer Blick mit den wachsenden digitalen Möglichkeiten der Fotografie in den letzten Jahren verändert?
Bei der anlogen Fotografie gab es eine längere Vorbereitung und es musste im Vorfeld sehr genau festgelegt werden, was fotografiert werden sollte. Heute kann ich ohne Probleme 30 Einstellungen am Tag mit Varianten und Details durchführen. Das war mit der analogen Fotografie technisch nicht möglich. Seit einiger Zeit verwende ich für die Kleinbildkamera klassische Architektur-Objektive. Das hat meine Fotografie verändert, weil ich nicht mehr Rücksicht auf die Funktionen des Weitwinkels nehmen muss und meinen Kamerastandpunkt flexibel wählen kann.
Wenn Sie auf die nachfolgenden Generationen von Fotografierenden blicken, haben Sie das Gefühl, dass sich in der Fotografie von Innenarchitektur etwas verändert hat?
Manchmal fehlt bei den Jüngeren die Sorgfalt. In der Nachbearbeitung mache ich mehr, als ich eigentlich müsste. Elemente wie die Sprinkleranlage oder Feuermelder retuschiere ich, weil sie für das Auge nicht notwendig sind und im Raum auch nicht wahrgenommen werden. Sie stören aber den Bildeindruck. Den Mülleimer oder Feuerlöscher für die Aufnahmen zur Seite zu stellen, halte ich auch für selbstverständlich. Auch ein Fenstergriff, der nicht gerade steht, ärgert mich.
Wo würden Sie generell die größten Herausforderungen für die Fotografie in Zukunft sehen?
Es wird mittlerweile von vielen erwartet, dass zusätzlich zu den Fotografien auch Bewegtbilder produziert werden. Mit der heutigen Kameratechnik ist das ja auch bei Fotoshootings problemlos möglich. Ich denke, das wird in Zukunft noch zunehmen. Allerdings ist „eine Kamera reinhalten“ noch nicht Gestalten. Beim Filmen von Räumen muss man viel mehr planen, wie und in welcher Chronologie vorgegangen werden soll. Es gibt viele professionelle Videos, aber auch die Gefahr, dass so etwas nebenbei produziert wird. Man sollte die Fotografie und das Filmen getrennt voneinander betrachten.